AUSRÜSTUNG,JAGDPRAXIS,SITZE

Hoch hinaus…

Die Jagd vom Klettersitz in der Jagdpraxis

Wer kennt sie nicht, die Videos von amerikanischen Jägern, die von sogenannten Treestands herab Beute machen? Aber ist diese Jagdart auch auf unsere hiesigen Revierverhältnisse übertragbar und erfolgversprechend?
Da ich im heimischen Revier einige Ecken habe, die bislang aus verschiedensten Gründen nicht bejagt wurden und der Bau von stationären Ansitzeinrichtungen dort zu aufwändig oder zu wenig erfolgversprechend erschien, entschied ich mich vor einigen Jahren dazu, die Jagd von der hohen Warte einfach einmal auszuprobieren:
An dem bislang unzugänglichen Wechsel in der Fichten-Dunkelwaldplantage, wo sich nach einigen Windbrüchen die Naturverjüngung in einen wahren Dschungel aus Ahorn, Holunder und Brombeeren verwandelt hat, an der neuen Suhle, die als einzige noch Wasser führt oder an der Eiche am Waldrand, bei dem Maisacker in dem die Sauen zu Schaden gehen.

Die Vorteile dieser Jagdart liegen auf der Hand: Das Wild rechnet durch die hohe Mobilität nicht mit dem Jäger, der in der Regel auch außerhalb des Sichtfeldes des Wildes sitzt. Darüber hinaus lässt sich mit relativ wenig Aufwand der Standort potentieller, neuer Reviereinrichtungen überprüfen. Auch bei Drück- und Blattjagd hat sich der Klettersitz als flexible Ansitzalternative bewährt, bei der einmal oben angekommen, sich der Sitz 360° um die eigene Achse drehen kann.

Der Sitz

Für Klettersitze gibt es inzwischen auch in Deutschland ein recht vielfältiges Angebot. In der Einsteigerklasse wird man auch schon für unter zweihundert Euro fündig. Wer aber schon mal so ein recht gewichtiges Einsteigermodel mit um die 15 kg (mit Zubehör, Seil und Gurt), nebst Waffe und Jagdrucksack durch den Wald getragen und installiert hat, der merkt recht schnell, dass Geiz eben nicht immer geil ist. Worauf sollte man also beim Klettersitzkauf achten? Zum einen spielt Gewicht, Ergonomie und Belastbarkeit des Baumsitzes eine große Rolle und zum anderen die Sicherheit. Wie bei vielen anderen Bestandteilen der Jagdausrüstung zahlt es sich auch bei Klettersitzen aus, wenn man diese nicht einfach nach dem Preis online bestellt, sondern das Objekt der Begierde z.B. auf einer Jagdmesse oder bei einem Seminar schon einmal probegesessen hat.

Der Baum

Vor dem Klettern mit dem Sitz und dem angestrebten Jagderfolg steht die Auswahl und das Vorbereiten des Baumes. Am Besten geeignet sind gleichmäßig gewachsene, gesunde Nadelbäume, die in der anvisierten Sitzhöhe noch einen Stammdurchmesser von mindestens 20 cm aufweisen. Totholz sollte man, wegen Stammfäule und womöglich herabfallendem Totholz, zur eigenen Sicherheit meiden.

Entasten des Baumes

Zuerst entastet man vom Boden aus möglichst nahe am Stamm alle Äste, die sich in Reichweite befinden. Hier hat sich bei mir eine japanische Zug-Baumsäge mit Scheide bewährt, die mit einer Sicherungsschnur am Gurt befestigt wird. Danach befestigt man das Sitz- und das Fußteil mit den Stahlkabeln am Baum, befestigt das Sicherungsseil darüber und steigt den entasteten Bereich hinauf.

Der Klettersitz besteht aus einem Oberteil, das eine Sitzfläche und die Gewehrauflage beinhaltet und einem Fußteil. Das Oberteil wird beim Aufstieg zusammen mit dem Sicherungsseil nach oben geschoben und das Fußteil mit den Füßen nachgezogen. Das wiederholt man abwechselnd und entastend solange, bis die angestrebte Sitzhöhe erreicht ist. Es bietet sich an, dies gleich an mehreren Stellen im Revier vorzubereiten. Stellt man im Laufe der Zeit fest, dass das Wild einen spitzgekriegt hat und übervorsichtig diesen Bereich meidet, oder der Wind nicht passt, so kann man den Sitz innerhalb einer halben Stunde umziehen und an anderer Stelle sein Glück versuchen.
Auf der richtigen Höhe angekommen, holt man den am anderen Ende des Sicherungsseiles befestigten Jagdrucksack und die unterladene Waffe nach oben. Hier am besten nicht mit einem Hausfrauen-Knoten, sondern mit (Kletter-) Karabinern arbeiten, um einen Absturz der Waffe aus großer Höhe auszuschließen.

Waffe & Ausrüstung am Kletterseil


Ist tagsüber so ein Ansitzort und der Zustieg dort hin vorbereitet, so lasse ich den Sitz meist an Ort und Stelle und kann zum Abendansitz nur mit Rucksack und Waffe zum Sitz pirschen und relativ leise den Baum hinauf klettern. Auf aufwendige Tarnung kann man meiner Erfahrung nach verzichten, da das Wild einem schlicht „nicht auf dem Schirm hat“, wenn man still sitzt und auf hektische Bewegungen verzichtet.
Für den Drückjagdeinsatz wird der Abstand zwischen Ober- und Fußteil etwas vergrößert und der eingehängte Sitz hochgeklappt, so dass man bequem stehen kann und am Baum oder der Gewehrauflage angestrichen, rundum Schussfeld hat.

Treestand als Drückjagssitz


Auch bei der Blattjagd kann man mit dem Klettersitz durchaus Beute machen, hält man sich vor Augen, dass Böcke nicht auf Blattarien springen, die aus 15m Höhe im Fichten-Altbestand ertönen. Wenn man den Klettersitz aber irgendwo im Bestand in 1-2m Höhe mit ausreichend Schussfeld und entsprechenden Kugelfang an einen Baum oder Telefonmast spannt, ist der Erfolg fast vorprogrammiert.

Schusswinkel / Visierlinie

Schusswinkel vom Baumsitz - falsch
Schusswinkel vom Baumsitz - richtig

Zwei wichtige Aspekte sind bei der Jagd von Klettersitzen zu beachten: Zum einen muss man sich über die veränderte Trefferlage und dem Unterschied zwischen Visierlinie und Geschossflugbahn, beim oft steilen, kurzen Schuss nach unten im klaren sein und den Haltepunkt höher als gewohnt ansetzen, um ein Unterschießen zu vermeiden. Zum anderen darf bei der Schussabgabe nie vergessen werden, dass man in einem Baum sitzt, der sich, je nach Wind, auch mal etwas stärker bewegt.

Sicherheit

Bevor es mit der Jagd vom Klettersitz losgeht, ein paar Worte zur Sicherheit. Es gibt verschiedene Arten einen Sturz aus großer Höhe zu verhindern. Manche Sitze werden mit einem kompletten Sicherungssystem geliefert, bei anderen muss dieses noch um ein ca. 15m langes Sicherungs- Seil und -Gerät aus dem Bergsport, oder Baumpflegebedarf ergänzt werden. Egal für welche Lösung man sich letztlich entscheidet, der Umgang damit sollte auf Bodenhöhe geübt werden. Ansonsten kann ein Bedienfehler oder das Einnicken auf dem Sitz schnell ernstzunehmende gesundheitliche Folgen haben.
Mit zur Sicherheit gehört, dass das Fußteil mit einer Band- oder ausreichend dimensionierten Kernmantel-Schlinge am Oberteil befestigt ist. Deren optimale Länge ergibt sich aus der eigenen Körpergröße. Ansonsten verabschiedet sich das Fußteil, den Gesetzen der Gravitation folgend, mit 9,81m/s² gen Boden und man hängt irgendwo in 10 Meter Höhe und hat keinen Schimmer, wie man sich selbst und den Klettersitz wieder zurück nach unten bekommt. Mit einem Sicherungsgerät kann man sich, im Falle eines Falles selbstständig auf Bodenniveau ablassen.
Bei aufziehenden Gewittern ist die Jagd abzubrechen, da man auf einem Metallsitz, direkt an einem Blitzableiter sitzt und bei entsprechendem Wind auch nicht mehr an einen sicheren Schuss zu denken ist.

Fazit

Das klingt alles viel gefährlicher und komplizierter als es tatsächlich ist. Die Grundlagen für die sichere Verwendung eines Klettersitzes hat man sich an einem Nachmittag bei einem Jagdkameraden abgeschaut, der diesen regelmäßig in Verwendung hat. Darüber hinaus bieten manche Jagdschulen und Kreisgruppen Seminare an, bei denen man die Grundlagen der sicheren Verwendung von Klettersitzen lernen kann.

Zugegeben, die Jagd vom Treestand erfordert ein gewisses Maß an körperlicher und geistiger Fitness, Beweglichkeit und know how was z.B. die Sicherung betrifft. Dem gegenüber steht, dass man sehr flexibel bei der Wahl des Ansitzortes ist und von hoher Warte herunter oft auch Teile des Waldes einsehen und bejagen kann, die sonst, mit herkömmlichen Ansitzeinrichtungen nicht zu bejagen wären. Auch hat man aufgrund des steileren Schusswinkels, in der Regel immer einen ausreichenden Kugelfang. Für mich, der nicht in jeder Revierecke eine Ansitzleiter oder Kanzel stehen haben will, die man regelmäßig überprüfen und in Stand halten muss, auf jeden Fall eine moderne, zukunfts- und ausbaufähige neue Jagdmethode.

Leave a Reply

*Durch die Benutzung der Kommentarfunktion erlaube Sie die Speicherung der von Ihnen eingegebenen Daten. Mehr zum Thema finden Sie in derDatenschutzerklärung.